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Wie Angehörige bei Depressionen unterstützen können


Doris Kirch
Aus Liebe und Unwissenheit sagen oder tun Angehörige oft Dinge, die einen an Depression Erkrankten emotional verletzen und die Beziehung gefährden können. Erfahre, wie du grobe Fehler vermeidest und wie du ein wirklich hilfreicher Begleiter an der Seite des Betroffenen sein kannst.

Depression kann zur Zerreißprobe für Beziehungen werden

Die Erkrankung Depression belastet Partnerschaft, Familie und soziales Umfeld in hohem Maße. Auch die Deutsche Depressionshilfe hat sich mit diesem Sachverhalt beschäftigt und in ihrem Barometer Depression 2018 einige interessante Zahlen zu den Auswirkungen von Depressionen auf Beziehungen veröffentlicht.

50 % der Befragten gaben an, dass es Probleme in der Partnerschaft gab und 84 % der Erkrankten haben sich während der Depression aus ihrer Beziehung zurückgezogen.

Gründe für den Rückzug aus der Beziehung

75 % der Erkrankten haben zeitweise keine Verbundenheit mehr mit anderen Menschen gefühlt. Ein großes Bedürfnis nach Ruhe, verbunden mit tiefer Erschöpfung mündeten in einer gewissen Interesselosigkeit an anderen. 84 % fühlten sich von ihrem Partner unverstanden und mit Vorwürfen konfrontiert - was in 45 % der Fälle zur Trennung führte.

Aber auch eine positive Zahl möchte ich hier nicht vorenthalten: 36 % der Befragten berichteten über positive Erfahrungen. Sie sagten, dass das gemeinsame Durchstehen dieser schwierigen Zeit ihre Beziehung gefestigt und vertieft hat.

Wie sich Depression auf Angehörige auswirkt

Der Umgang mit einem depressiv erkrankten Menschen ist vor allem für die Beziehungspartner eine große Herausforderung. So zeigen die Zahlen der Deutschen Depressionshilfe, dass 73 % von ihnen Schuldgefühle hatten, weil sie glaubten, zum Entstehen der Erkrankung beigetragen zu haben - und sie fühlten sich für die Genesung verantwortlich.

30 % der Angehörigen gaben an, sich schlecht über Depressionen informiert zu fühlen.

Ein Blick auf die Zahlen macht deutlich, wie viele Probleme dadurch entstehen, dass niemand so richtig weiß, wie er mit der Situation umgehen soll. Die Folge davon ist eine schwierige Mischung aus Unverständnis, Missverständnissen, Forderungen und Vorwürfen - die nicht selten in einer Trennung mündet. Die folgenden Tipps werden dir helfen, deinem Partner auf die bestmögliche Weise beizustehen und gleichzeitig gut für dich selbst zu sorgen.
Wenn du den anderen nicht heilen kannst, dann sei der sichere Ort, an dem er sich ausruhen kann.

Angehörige mit Depression begleiten:

Die besten 5 Tipps

  1. Depression als Erkrankung anerkennen
  2. Nimm nicht persönlich, was nicht persönlich ist
  3. Sorge gut für dich selbst
  4. Sei respektvoll und stülpe dem Erkrankten nichts über
  5. Auf Suizidwarnzeichen achten

Tipp 1: Depression als Erkrankung anerkennen

Bedauerlicherweise ist die Tendenz von Nicht-Betroffenen, Depressionen zu verharmlosen, immer noch weit verbreitet. Viele möchten Betroffene mit gut gemeinten Ratschlägen dieser Art unterstützen: "Nun reiß dich mal etwas zusammen", "Das wird schon wieder" oder mit einer Erinnerung daran "positiv zu Denken". Solche und ähnliche trivialisierende Aussagen, sind für einen depressiven Menschen zutiefst verletzend und sie können Gefühle von Schuld und Überforderung hervorrufen und vertiefen.

Es ist wichtig, dass du verstehst: Depression ist keine "Charakterschwäche", sondern eine ernst zu nehmende Erkrankung, unter deren komplexer Symptomatik die Betroffenen oft massiv leiden.

Willst du wirklich hilfreich für jemanden sein, dann informiere dich umfassend über die Erkrankung Depression, damit du nicht aus Unkenntnis das Falsche tust.


Tipp 2: Nimm nicht persönlich, was nicht persönlich ist

Wenn dein Partner sich zurückzieht und du dich dadurch verletzt fühlst, ist es wichtig zu verstehen, dass dieser Rückzug weder eine Ablehnung deiner Person noch ein Beziehungs-Statement ist. Depression kostet Kraft. Wer darunter leidet, fühlt sich oft erschöpft und müde und hat deshalb ein großes Bedürfnis nach Ruhe.

Wenn du mit Achtsamkeit vertraut bist, kannst du es zur Achtsamkeitsübung machen, dem anderen die Zeit und den Raum zu lassen, die er braucht, ohne dich dadurch verletzt oder zurückgewiesen zu fühlen. Solche Situationen geben dir die Möglichkeit, deine Geduld, dein Mitgefühl und dein Verständnis zu vertiefen.

Du kannst dem anderen versichern, für ihn da zu sein, auch wenn er sich zurückzieht.

Tipp 3: Sorge gut für dich selbst

Einen depressiven Menschen im nahen Umfeld zu haben, ist emotional und körperlich anstrengend. Deshalb solltest du auch gut auf dich selbst achten. Denke daran, bei aller Fürsorge für den anderen, nicht deine eigenen Bedürfnisse zu vergessen. Finde ein Gleichgewicht zwischen Unterstützung und Selbstsorge.

  • Gönn dir Auszeiten
  • Sprich mit anderen über deine Gefühle
  • Unternimm regelmäßig regenerierende Aktivitäten
  • Sorge für Bewegung: mach Spaziergänge oder geh zum Sport
  • Triff dich mit Freunden
  • Such dir selbst Unterstützung, zum Beispiel durch eine Selbsthilfegruppe von Angehörigen oder durch therapeutische Gespräche.
Aus einem leeren Brunnen kann niemand trinken.

Tipp 4: Sei respektvoll und stülpe dem Erkrankten nichts über

In meinen Depressions-Coachings für Betroffene und Angehörige, fällt oft das Wort "übergriffig": Erkrankte Personen fühlen sich durch ihr Umfeld bisweilen gedrängt und bevormundet. Gegen gut gemeinte Vorschläge, was der depressive Mensch tun oder lassen sollte, ist grundsätzlich nichts einzuwenden ... wenn er damit nicht unter "Dauerfeuer" gesetzt wird.

Möchtest du eine betroffene Person zum Beispiel dazu ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, dann setze sie damit nicht unter Druck und unternimm nichts über ihren Kopf hinweg - und vor allem nichts gegen den Willen des Erkrankten.

Geh an der Seite deines Partners, statt vorauszueilen und ihn hinterherzuziehen

Bleib respektvoll und frage nach, wie du unterstützen kannst. Höre zu, ohne sofort Lösungen anzubieten. Die Situation wird vielleicht erfordern, dass du lernst, ein gesundes Maß zwischen Engagement und Dich-Zurücknehmen zu finden, um deinem Partner nichts überzustülpen oder ihn zu überfordern.

Nachfragen, gut zuhören und dich erforderlichenfalls auch mal zurücknehmen, sind gute Strategien für dich als Angehörigem im Umgang mit dem geliebten Menschen. Geh an der Seite deines Partners, statt vorauszueilen und ihn hinterherzuziehen. So lässt du ihm seine Selbstbestimmtheit und seine Würde, worfür er dir bestimmt dankbar ist.

Tipp 5: Auf Suizidwarnzeichen achten

Informiere dich über Anzeichen möglicher akuter Suizidgefahr, wie zum Beispiel Suizidäußerungen, verstärkterer Rückzug oder Abschiedsgesten. Leider sind solche Anzeichen schwer einzuschätzen, denn auch plötzliche Euphorie und scheinbare völlige Entspanntheit können ein Hinweis sein. Nimm es auf jeden Fall ernst, wenn du etwas Außergewöhnliches bemerkst und traue dich, offen über deine Beobachtung und deine Besorgnis zu sprechen.

Erstelle dir einen Notfallplan, damit du in kritischen Situationen weißt, wo du Hilfe bekommen kannst. (Notrufnummern, Therapeut, psychiatrischer Krisendienst).


© Doris Kirch